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Migräne und Stigma: Doppelte Bürde für Betroffene 

Migränepatienten leiden nicht nur unter ihren physischen Symptomen, sondern auch unter der gesellschaftlichen Stigmatisierung. Dies hat weitreichende negative Konsequenzen für ihr Selbstwertgefühl, ihre sozialen Beziehungen und ihre berufliche Leistungsfähigkeit.

AdobeStock 557559279 wellphoto mit ANN Logo«Trotz der enormen Fortschritte wird Migräne immer noch unterschätzt – von Neurologinnen und Neurologen und sogar von den Betroffenen selbst», konstatierte Prof. Dr. Dimos M. Mitsikostas, Athen, am europäischen Kopfschmerzkongress in Barcelona im Dezember 2023. Genau diese Unterschätzung trage zur Stigmatisierung und Diskriminierung von Menschen mit Migräne bei. Zusätzlich zu der weitverbreiteten gesellschaftlichen Stigmatisierung leiden viele Betroffene auch unter einer internalisierten Stigmatisierung, auch als Selbststigmatisierung bezeichnet [1]. Diese kann sich negativ auf das Selbstwertgefühl, die sozialen Beziehungen, die Lebensqualität und das Berufsleben auswirken [2]. Beide Formen der Stigmatisierung können zu einer Verschlechterung der Migräne beitragen [2]. Mit dem SSCI-Fragebogen (Stigma Scale for Chronic Illnesses) ist es möglich, den Schweregrad und die Auswirkungen des Stigmas chronischer neurologischer Erkrankungen zu quantifizieren [1]. Legt man diese Messskala zugrunde, zeigt sich, dass Menschen mit chronischer Migräne (CM) signifikant stärker stigmatisiert sind als Menschen mit Epilepsie (SSCI-24-Score 54,0 vs. 44,6; p=0,002). Bei episodischer Migräne ist das Stigma ähnlich hoch wie bei Epilepsie (SSCI-24-Score 41,7) und geringer als bei CM [1].

Teufelskreis der Stigmatisierung

Weitere Faktoren, die zur Stigmatisierung bei Migräne beitragen, sind die krankheitsbedingten Fehlzeiten am Arbeitsplatz (Absentismus) und die verringerte Produktivität am Arbeitsplatz (Präsentismus). Nahezu die Hälfte (47%) der Patientinnen und Patienten mit chronischer Migräne sind aufgrund ihrer Erkrankung nicht arbeitsfähig – etwa doppelt so viele wie bei episodischer Migräne (23 %) oder Epilepsie (24 %) [1]. Nur 5 % der Patientinnen und Patienten mit chronischer Migräne und 25 % der Betroffenen mit episodischer Migräne arbeiten Vollzeit. Im Gegensatz dazu haben 48 % der Menschen mit Epilepsie eine Vollzeitstelle inne [1]. Die Folgen verdeutlichte Mitsikostas anhand einer Beobachtungsstudie aus Griechenland [3]: Dort gehen jährlich 5,8 Millionen Arbeitstage infolge von Migräne verloren [3]. Hinzu kommen weitere 31 Millionen Arbeitstage pro Jahr mit Produktivitätsverlust bei Migräne [3]. Neben den sozioökonomischen Konsequenzen seien Absentismus und Präsentismus ein relevanter Kofaktor der Stigmatisierung mit gravierenden Auswirkungen auf das Selbstwertgefühl der Betroffenen, erläuterte der Experte. Das führe zu Schamgefühlen und könne den Teufelskreis der Selbststigmatisierung weiter antreiben.

Diese Scham und Angst vor Stigmatisierung berge noch ein weiteres Problem: Medikamentenübergebrauch und Kopfschmerz bei Medikamentenübergebrauch [4]. Ein Medikamentenübergebrauch-Kopfschmerz könne wiederum den Weg in eine Depression und weitere Behinderung bahnen, gab der Experte zu bedenken. Bereits im Jahr 1999 haben Mitsikostas et al. in einer Studie beobachtet, dass Migränepatientinnen und -patienten mit Medikamentenübergebrauch-Kopfschmerz im Vergleich zu gesunden Kontrollpersonen ein 35-fach höheres Risiko haben, an einer Depression zu erkranken [5]. Die enge Assoziation zwischen Migräne, Medikamentenübergebrauch-Kopfschmerz und Depression wurde durch die Ergebnisse der Eurolight-Studie bestätigt [6]. Selbststigmatisierung und Depression können die Therapietreue und damit den Therapieerfolg beeinflussen [7]: Depressive Patientinnen und Patienten, die sich weniger stigmatisiert fühlen, weisen eine höhere Therapieadhärenz auf [7] – ein Grund mehr, der Stigmatisierung neuropsychiatrischer Erkrankungen konsequent entgegenzuwirken. Um das Stigma-Problem der Migräne abzubauen, kommen laut Mitsikostas verschiedene Massnahmen in Betracht: Zunächst sollte man die Patientinnen und Patienten gründlich über die Erkrankung aufklären und ihnen eine wirksame Behandlung der Migräne aber auch möglicher Komorbiditäten (Depression, Medikamentenübergebrauch-Kopfschmerz) anbieten. Gleichzeitig seien breit angelegte Anti-Stigma-Kampagnen erforderlich – möglichst unter Einbindung von Patientenorganisationen –, um die soziale Stigmatisierung in der Bevölkerung und am Arbeitsplatz einzudämmen.

«Migräne am Arbeitsplatz»: Migraine Action möchte Arbeitgeber und Arbeitnehmer mit diversen Angeboten unterstützen.

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Referenzen:
1. Young WB et al. The stigma of migraine. PLoS One 2013;8(1):e54074. doi: 10.1371/journal. pone.0054074.
2. Parikh SK et al. Stigma and Migraine: Developing Effective Interventions. Curr Pain Headache Rep 2021 Dec 6;25(11):75. doi: 10.1007/s1191602100982z.
3. Constantinidis TS et al. A populationbased survey for disabling headaches in Greece: Prevalence, burden and treatment preferences. Cephalalgia 2021 Jun;41(7):810820. doi: 10.1177/0333102421989630.
4. Constantinidis TS et al. The prevalence and burden of medication overuse headache in Greece. Cephalalgia. 2023 Jun;43(6):3331024231184909. doi: 10.1177/03331024231184909. 22 [5] Mitsikostas DD et al. Comorbidity of headache and depressive disorders. Cephalalgia 1999 May;19(4):2117. doi: 10.1046/j.14682982.1999.019004211.x.
6. Lampl C, Andree C et al. Headache, depression and anxiety: associations in the Eurolight project. J Headache Pain 2016; 17:59. doi: 10.1186/s10194 016 0649 2.
7. Sirey JA et al. Stigma as a barrier to recovery: Perceived stigma and patient rated severity of illness as predictors of antidepressant drug adherence. Psychiatr Serv 2001 Dec; 52(12):1615 20. doi: 10.1176/appi.ps.52.12.1615.

Bild: AdobeStock/Rizwanvet

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