Weihnachtsfreuden oder Migräneleiden? – Zimt, Glühwein und Lebkuchen im Test
Festliche Leckereien können eine unangenehme Überraschung für Migräniker sein. Hier erfahren Sie, welche Rolle die Zutaten von Glühwein und Lebkuchen dabei spielen können und wie Sie sich schützen können.
Düfte und Geschmäcker für den weihnachtlichen Gemütszustand. Sorgt der holzige Duft von Zimt auch für Migräne? Wie steht es mit einem orientalischen Mandelduft? Gerüche stehen bei vielen Betroffenen im Verdacht, Attacken auszulösen [1].
Weihnachten mit seiner Vielzahl typischer Einflüsse hat sicher noch mehr für Migräne zu bieten. Stress beispielsweise gehört so unbedingt zu Weihnachten wie zur Migräne. Wir schauen auf zwei mögliche Auslösefaktoren: Glühwein und Lebkuchen und fragen anhand dieser Beispiele, was genau eine Migräneattacke provoziert.
Löst Glühwein Migräne aus?
Eine Bemerkung gleich vorab: Äussere Einflüsse lösen meist nur im Einklang mit einem inneren Biorhythmus Attacken aus. Wir nennen diesen Rhythmus auch »Migränezyklus«. Nur wenn die Widerstandsfähigkeit herabgesetzt ist, was zu einer bestimmten Phase des Zyklus geschieht, gerät das Gehirn durch zusätzlich äussere Auslösefaktoren (schneller) über die Schwelle. Viele früheren Studien haben dieses Konzept nicht beachtet und kommen so zu teils scheinbar widersprüchlichen Ergebnissen.
Alkohol
Zunächst muss man herausfinden, ob Alkohol Attacken auslöst, denn es könnten auch die Begleitstoffe in alkoholischen Getränken sein. Eine Studie zeigte, dass 300 ml Rotwein aber nicht Wodka (reiner Alkohol) mit äquivalenten Alkoholgehalt Migräneattacken provozieren kann – und auch das nur bei einigen dafür empfindlichen Migränepatienten [2]. Eine andere Studie konnte gerade bei geringen Alkoholkonsum keine erhöhte Anzahl von Migräneattacken feststellen, vor allem, wenn Alkohol und Stress zusammenkamen [3].
Viele reagieren gar nicht auf Alkohol empfindlich oder meinen das zumindest. Nur etwa ein Drittel der Migränebetroffenen haben Alkohol im Verdacht, zumindest gelegentlich ihre Attacken auszulösen. Etwa 10% sehen im Alkohol einen zuverlässigen Auslöser [4].
Begleitstoffe
Es stehen viele Begleitstoffe im Verdacht als Migräneauslöser: Aromastoffe (Phenole), Konservierungsmittel (z.B. Sulfite), Gerbstoffe (Tannine) und insbesondere das Tyramin, ein biogenes Amin, das dieselbe physiologische Wirkungen wie Neurotransmitter entfalten kann [5].
Tyramin mag potent sein, aber in der oben zitieren Rotwein vs. Vodka-Studie wurde ein Wein mit sehr niedrigen Tyramingehalt gewähltm und dieser hat trotzdem bei einigen Kopfschmerzattacken ausgelöst.
Viele dieser Stoffe befinden sich in bestimmten Lebensmitteln in viel höherer Konzentration als in alkoholischen Getränken. Sulfite sind in Lebensmitteln mit den E-Nummern E 220 bis E 228 gekennzeichnet. Sulfite kommen auch etwas höher dosiert im Weisswein vor. Natürlich gibt es auch Glühwein auf Weissweinbasis. Man könnte die beiden Glühweinarten ja einmal miteinander vergleichen.
Ein Tipp: wer Glühwein selber macht, sollte so oder so einen Rotwein verwenden, der wenige Tannine hat. Vielleicht spart man dabei auch die Orangen und deren Schale. Viele haben diese im Verdacht und Studien gibt es natürlich auch dazu [6]. Aber auch hier käme es auf einen Versuch an.
Wie wirkt der Glühwein – wenn er als Auslöser wirkt?
Alkohol wirkt euphorisierend. Begleitstoffe, vor allem das Tyramin, können leistungs- und motivationsfördernd sein. Das hat mit verschiedenen Botenstoffen im Körper zu tun. Für die Experten: Dopamin und Noradrenalin. Gerade deren Zusammenwirken baut schneller Energiereserven ab [7,8], was die Anfälligkeit für eine Migräneattacke erhöht. Deswegen ist auch die Tageszeit, zu der Glühwein getrunken wird, wichtig. Mittags zwischendurch beim Shoppen ist gefährlicher, da man all seine Energiereserven noch braucht, als abends. Allerdings beginnen viele Attacken auch in der Nacht.
Schützt Glühwein vielleicht auch?
Glühwein enthält oft auch Ingwer. Ingwer gilt in der indischen und graeco-arabischen Medizin als Mittel gegen Migräne. Es gibt eine veröffentlichte Studie aus dem Iran, die Ingwer mit der Wirkung von Triptanen vergleicht [9]. Durch die antioxidative Wirkung des Ingwers soll es den Organismus vor sehr reaktiven, chemischen Verbindungen mit Sauerstoff schützen. Man nennt dies «oxidativem Stress». Ein ganz aktueller Übersichtsartikel sieht im oxidativen Stress das verbindende Element aller Auslösefaktoren einer Migräneattacke [10].
Auch zeigen einige Studien, dass Menschen, die regelmässig Alkohol konsumieren, seltener an Migräne leiden [8]. Erklärt wird dies mit veränderten Alkoholkonsum bei Migräneerkrankte und nicht etwa damit, dass Alkohol eine prophylaktische Wirkung hat. Richtig ist jedoch auch, dass gerade Rotwein ein gesundheitsfördernder Wohlfühlfaktor zugeschrieben wird. Und darum geht es bei Weihnachten ja auch.
Lebkuchen ja oder nein?
Unter den Leckereien zu Weihnachten ist der Lebkuchen. Ein typisch es Weihnachtsgebäck. Mit unüberschaubaren Zutaten. Immerhin, knapp 50% des Lebkuchens sind Kohlenhydrate. Regelmässig und kohlenhydratreich zu essen, gilt als einer der Ernährungstipps für Migräneerkrankte. Hinzu kommen die vielen Lebkuchengewürze. Sie kennen wir schon aus dem vorangegangen Beitrag, denn sie sind auch im Glühwein: Zimt, Sternanis, Ingwer, Fenchel, Kardamom, Koriander, Anis, Gewürznelken, Muskatnuss und weiteres mehr.
Zimt – Gefahr oder Medikament im Lebkuchen
Cassia-Zimt oder Ceylon-Zimt? Letzterer enthält weniger von dem Pflanzenstoff Cumarin. Ist das gut? Cumarin gilt als gefährlich. Gilt das auch für Migräneerkrankte? Es geisterte die Behauptung eines erhöhtes Blutungsrisiko durch cumarinhaltige Zimtsterne durch die Medien.
Chemische Verbindungen, die dem Cumarin ähnlich sind, konkurrieren mit Vitamin K. So greifen sie in den Stoffwechsel ein und hemmen die Blutgerinnung. »Phenprocoumon« und »Warfarin« sind solche Wirkstoffe. In Pilotstudien wurden diese blutverdünnenden Substanzen als vorbeugende Behandlung gegen Migräne getestet [1]. Ihre Wirksamkeit, so die Vorstellung, erklärt sich, weil das Blut besser fliesst. Es gibt (nach meiner Kenntnis) keine soliden Ergebnisse und also auch keine Empfehlung in den Leitlinien der Fachgesellschaften oder eine Zulassung für solche Medikamente. Denkbar sind aber immer »gute« wie »schlechte« Eigenschaften und zwar durchaus abhängig, ob man gesund oder krank ist.
Dass dem Ingwer auch »gute« Eigenschaften zugeschrieben werden, kam auch schon zur Sprache. Damit sind die »guten« Zutaten aber auch schon fast erschöpft.
Doch es geht nicht darum, alle Zutaten in Nahrungsmittel generell in »gute« und »schlechte« einzuteilen, oder gar generell Nahrungsmittel pauschal zu meiden.
Es ist nicht sinnvoll, wenn Migränekranke generell Nahrungsmittel meiden, von denen bekannt ist, dass sie Migräneanfälle provozieren können. Denn Nahrungsmittel spielen nicht bei allen Patienten eine Rolle.
Summa summarum: eine Einschränkung in der Ernährung ist auch eine Einschränkung in der Lebensqualität. Und sei es nur ein Biss in einen Lebkuchen an Weihnachten.
Bild: Vadym/Adobe Stock
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